Zahnärztliche Akademie

Die Rolle der Professionalität beim Scheitern von Berufsausübungsgemeinschaften Eine narrative Studie bei Heilkundlern

Dr. Herbert Martin, M. A.
Im Jahr 2007 wählten bereits 38 % der zahnärztlichen ExistenzgründerInnen die Berufsausübungsgemeinschaft als Praxisform. Für eine gemeinsame Praxis sprechen Kostenvorteile („economies of scale“), die aus der kollektiven Nutzung personeller, technischer und sachlicher Ressourcen resultieren. Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein weiterer Vorteil.

Eine Auflösung einer BAG hat wirtschaftlich und sozial bedeutende Folgen für die Beteiligten, so dass aus der Kenntnis der Gründe des Scheiterns vielleicht auch Erkenntnisgewinn für eine erfolgreich zu führende BAG möglich wird.

Da die Beteiligten einer BAG Angehörige einer Profession sind und deren Eigenheiten unterliegen, stellt sich die Frage, ob die Profession des Berufsstandes eine Rolle spielt, d. h. gibt es Hinweise auf autonomes Handeln als Ursache, welche Rolle hat die persönliche und sachliche Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit? Welche Rolle hat die Professionalität in einer BAG. Welche die der beruflichen Identität und der Fachlichkeit der Heilkundler?

Welche Gründe führen zum Scheitern von Berufsausübungsgemeinschaften?

Die Forschungsfrage zielt auf persönliche Erlebnisse, sie such Entwicklungen und Veränderungen im persönlichen Relevanzsystem eine Berufsausübungsgemeinschaft. Die Entwicklung einer BAG bis zu deren Auflösung ist ein Prozess, der eine flexible Exploration erfordert. Die Qualitative Sozialforschung ist empirische Forschung und als solche reflexiv in Gegenstand und Analyseprozess. Sie gibt das Expertenwissen der Betroffenen wieder. Ziel ist, die Prozesshaftigkeit der Erfahrungsrekapitulation zu rekonstruieren und die Erfahrungsaufschichtung wiederzugeben.

Narrative Verfahren basieren auf Fritz Schütze und seinen methodisch ausgearbeiteten und methodologisch begründeten narrativen Interviews. Insgesamt wurden neun narrative Interviews geführt. Die Anwendung der Narrationsanalyse in Anlehnung an Schütze und Kodierung in Anlehnung an Grounded Theory führt bei Interpretation dreier autobiografischer Stegreiferzählungen von Heilkundlern dreier verschiedner Berufsaus¬übungsgemeinschaften mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Verflechtung aus dem ärztlichen und zahnärztlichen Bereich zur Herausarbeitung von Prozessstrukturen in scheiternden Berufsausübungsgemeinschaften und Konstruktion eines theoretischen Modells.

Es zeigen sich charakteristische berufsbiografische Konfliktfelder, Verläufe und Phasen.
Berufliche Diskrepanzen haben ihren Ursprung in den Konfliktfeldern autonome Handlungsfreiheit, Behandlungsstil und Ethik. Diese Konfliktfelder entstammen der Orientierung professionellen Handelns. Berufliche Diskrepanzen sind ursächlich für die Auflösung von Berufsausübungsgemeinschaften.
Zusätzliche Konfliktfelder aus dem Bereich der Praxisorganisation, der Praxisentwicklung und der Interaktion Patienten sind praxisindividuell festzustellen. Aber auch diese Felder beinhalten Elemente der Wertmuster professionellen Handelns. Die beruflichen Diskrepanzen sind dann unüberbrückbar, wenn sie nicht innerhalb des professionellen Bewusstseinskontextes, der professionellen Klammer kompensierbar sind, durch Veränderung der Praxisorganisation lösbar sind und sie den Rahmen der professionellen Kollegialität sprengen. Sind persönliche Konflikte zwischen den Partnern einer Berufsaus¬übungsgemeinschaft vorhanden, so können berufliche Diskrepanzen konditional bestimmend sein, sowohl in ihrer Wirkung auf die Berufsbiografie als auch auf die persönliche Biografie. Auch in diesen Fällen wirkt der professionelle Bewusstseinskontext.

Aufgrund der dargelegten Systematik leite ich ein Modell des Scheiterns heilkundlicher Berufsausübungsgemeinschaften ab. Das Modell umfasst als Kernpunkt berufliche Diskrepanzen, die als Schnittmenge von Behandlungskompetenz, autonomer Handlungsfreiheit und beruflicher Ethik definiert werden. Andere Kategorien wiePraxisentwicklung oder Praxisorganisation können ebenfalls eine Schnittmenge bilden. Als Variable bezeichne ich die Typen Persönlichkeit, Vertragsgestaltung undKommunikation. Variable deswegen, weil diese sich mehr oder weniger in den dargestellten Berufsbiografien als mit prozessierend zeigten.

Eine gemeinsame Berufssozialisation, eine universitäre Ausbildung als Basis der Fachlichkeit, die Autonomie der Profession allgemein und der Professionalität im Speziellen bilden einen professionellen Kontext, der Professionelle in einer Berufsausübungsgemeinschaften zentripedal zusammenhält.

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